- Robert-Koch-Institut, Nordufer 20, 13353 Berlin, Tel.: 030-187540, Internet: www.rki.de
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Ostmerheimer Str. 220, 51109 Köln, Tel.: 0221-89920, Internet: www.bzga.de
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), Im Mediapark 8, 50670 Köln, Tel.: 0221-356850, Internet: www.gesundheitsinformation.de
- Paul-Ehrlich-Institut, Paul-Ehrlich-Str. 51-59, 63225 Langen, Tel.: 06103-770, Internet: www.pei.de, Informationen zu Verdachtsfällen auf Impfkomplikationen sowie von Verdachtsfällen schwerwiegender Nebenwirkungen unter www.pei.de/db-verdachtsfaelle
In der Vergangenheit war die Kinderlähmung eine gefürchtete Krankheit im Kindesalter. Ab Anfang der 1960er-Jahre wurde sie zum beeindruckenden Beispiel einer erfolgreichen Impfstrategie. Heute ist man dem ehrgeizigen Ziel, die Krankheit Poliomyelitis weltweit verschwinden zu lassen, schon recht nahe gekommen.
Kinderlähmung wird durch Poliomyelitis-Viren (Polioviren) hervorgerufen.
Diese Viren können nur von Mensch zu Mensch übertragen werden. Man kann sich mit ihnen also nicht bei Tieren oder in der freien Natur anstecken.
Der hauptsächliche Infektionsweg der Viren führt von den Darmausscheidungen in den Mund. Wenn sich ein Virusträger nach dem Stuhlgang die Hände nicht wäscht, kann er die Viren durch alles, was er anfasst, weitergeben. Hat der Infizierte die Viren zum Beispiel auf einer Türklinke hinterlassen, nimmt sie derjenige auf, der die Klinke als Nächster anfasst. Greift dieser danach zu etwas Essbarem, verschluckt er die Viren. Schlechte hygienische Verhältnisse und Nachlässigkeit bei der persönlichen Toilettenhygiene begünstigen die Ausbreitung der Polioviren.
Nach der Ansteckung dauert es 3 bis 35 Tage, bis sich die Erkrankung zeigt. Die Viren vermehren sich etwa eine Woche lang auf der Schleimhaut des Rachens. Danach findet ihre Vermehrung nur noch im Darm statt. Mit dem Stuhlgang werden sie ausgeschieden. Solange jemand mit dem Stuhl Polioviren ausscheidet, kann er die Krankheit weitergeben.
In der Vergangenheit gab es Polioviren an jedem Ort der Welt. Vor allem Kinder steckten sich an, erkrankten an Polio und entwickelten die typischen Lähmungen. Diese Tatsache spiegelt der Name „Kinderlähmung“ wider.
Mit Einführung der Schluckimpfung änderte sich die Häufigkeit der Infektion. Während es 1960 in Westdeutschland 4168 Polioerkrankungen gab, waren es 1964 noch 54. Seit 2002 gilt Europa als frei von Polioviren. Dennoch müssen die Impfungen noch solange beibehalten werden, bis die Weltgesundheitsorganisation die Welt für poliofrei erklärt. Erst dann können die Impfungen – wie bei den Pocken – eingestellt werden.
Bei mehr als 95 von 100 Personen bewältigt der Körper die Infektion selbst, ohne dass Symptome auftreten. Einige Infizierte haben zwar für kurze Zeit Fieber, Hals-, Kopf- und Muskelschmerzen, doch das vergeht ohne ernsthafte Krankheitsfolgen.
Anders ist das, wenn sich die Viren in den Zellen des zentralen Nervensystems festsetzen. Dann kann nach diesem Vorstadium eine Hirnhautentzündung auftreten, erkennbar an Rückenschmerzen, Nackensteifigkeit und Muskelkrämpfen. Lähmungen gibt es bei diesem Verlauf jedoch nicht.
Diese schwerste Krankheitsfolge, der die Krankheit ihren Namen verdankt, entwickelt nur ein kleiner Teil der Infizierten. Nachdem die Hirnhautentzündung abgeklungen zu sein scheint, zeigen sich Lähmungen, die zur Bewegungsunfähigkeit führen können. Eine Lähmung der Atemmuskulatur war früher häufig die Todesursache bei Polio.
Die Viruserkrankung lässt sich mit Medikamenten nicht behandeln. Es können nur die jeweiligen Symptome gelindert werden. Sind Lähmungen eingetreten, kommen physiotherapeutische Maßnahmen und Geräte zum Einsatz, die den Betroffenen helfen, den Alltag zu meistern.
Häufiges Händewaschen mit Wasser und Seife nach jedem Gang zur Toilette ist eine Maßnahme zum Schutz der eigenen Gesundheit und der anderer Menschen.
Die sicherste Vorbeugestrategie ist jedoch die Impfung. In den 1950er-Jahren gab es nur Polioimpfstoff zum Spritzen. Seit 1962 war dann auch Schluckimpfstoff verfügbar. Mit ihm wurden Millionen Menschen weltweit geimpft. Seit 1998 wird wieder der Polio-Spritzimpfstoff verwendet und zwar aus folgendem Grund. Der Schluckimpfstoff enthält aktive Viren. Unter ungünstigen Bedingungen können sich Menschen, die nicht gegen Polio geschützt sind, mit den Viren anstecken, die die frisch Geimpften mit ihrem Stuhl ausscheiden. Die wenigen Polioerkrankungen, die in den 1990er-Jahren in Deutschland noch auftraten, beruhten auf solchen Impfviren. Um diese Infektionsquelle auszuschließen, wird seit 1998 nur noch gespritzter Polioimpfstoff verwendet, das dieses Risiko nicht birgt.
Gemäß den offiziellen Empfehlungen sollen Kinder gegen Polio geimpft werden. Wird der Kombinationsimpfstoff verwendet, der sich auch gegen Keuchhusten richtet, bedeutet das eine Impfung im 2., 3., 4. und etwa 12. Lebensmonat. Im Jugendalter, zwischen 9 und 17 Jahren, sollte die Impfung noch einmal aufgefrischt werden.
Erwachsene, die weniger als vier Polioimpfungen nachweisen können – wobei es gleichgültig ist, ob es sich um geschluckten oder gespritzten Impfstoff handelt –, wird nahegelegt, die fehlenden Impfungen nachzuholen.
Man geht davon aus, dass der Schutz nach viermaliger Impfung lebenslang anhält. Regulär sind also keine weiteren Polioimpfungen mehr notwendig. Ausgenommen davon sind Personen, die sich einem besonderen Infektionsrisiko aussetzen, beispielweise Reisende in die Länder Westafrikas. Sie sollten sich nachimpfen lassen, wenn die letzte Impfung länger als zehn Jahre zurückliegt.
Als Zeichen, dass sich der Organismus mit dem Impfstoff auseinandersetzt, kann die Impfstelle in den ersten drei Tagen schmerzen und anschwellen. Auch leichtes Fieber und Symptome wie bei einer Erkältung können auftreten. Diese Symptome klingen rasch von selbst wieder ab und haben keine weiteren Folgen. Derartige Impfreaktionen sind bei 1 von 1.000 bis 10.000 Personen festgestellt worden, denen Impfstoff gegen Polio allein – also nicht in Kombination mit anderen Impfstoffen – gespritzt wurde.
Allergische Reaktionen sind nach einer Polioimpfung nur vereinzelt aufgetreten.
Bei Kombinationsimpfstoffen, die sich neben Polio auch gegen andere Krankheiten richten, können mehr und andere Reaktionen auftreten. Die oben genannten Allgemeinsymptome sind mit größerer Häufigkeit zu erwarten. Außerdem kann sich an der Einstichstelle ein kleines Knötchen bilden. Säuglinge und junge Kleinkinder, die einen der Kombinationsimpfstoffe erhalten haben und danach Fieber entwickeln, können einen Fieberkrampf bekommen. In aller Regel vergeht er folgenlos.
Bei dem Vierfachimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Polio ist es vorgekommen, dass sehr junge Kinder lang anhaltend und schrill geschrien haben.
Bei dem Sechsfachimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Polio, Hib und Hepatitis B sind noch virusbedingte Infektionen der oberen Atemwege aufgetreten, die gelegentlich mit Atemnot einhergingen.
Die genannten Reaktionen können bei einer Auffrischimpfung etwas häufiger auftreten.
Selten, das heißt bei zwischen 1 bis 10 von 10.000 Geimpften gibt es an der Haut oder den Atemwegen allergische Reaktionen. Grundsätzlich besteht dann die Möglichkeit eines lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schocks. Derartiges ist bisher aber nur in Einzelfällen bekannt geworden. Ebenfalls sehr selten sind Erkrankungen des Nervensystems aufgetreten. Diese Komplikationen sind bei dem Vierfachimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Polio und dem Sechsfachimpfstoff Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Polio, Hib und Hepatitis B registriert worden.
Bei dem Vierfachimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Polio ist in der Literatur über Einzelfälle einiger weiterer Komplikationen berichtet worden (Nierenerkrankungen, Verringerung der Zahl der Blutplättchen, Gefäßentzündungen). Sie traten zwar in zeitlicher Nähe zu der Impfung auf, doch ist fraglich, ob die Impfung die Ursache dieser Erkrankungen war.
Diese Liste möglicher Impfrisiken mag Ihnen erschreckend lang erscheinen. Bitte berücksichtigen Sie dabei aber, dass jedes Jahr Millionen von Menschen diese Impfstoffe gespritzt bekommen. Bei dieser großen Zahl von Geimpften fallen dann selbstverständlich auch Reaktionen auf, die bei einer kleineren Anzahl von Geimpften gar nicht bemerkt würden. Zudem kommt hinzu, dass bei Impfungen, die ja bei gesunden Menschen durchgeführt werden, mit besonderer Sorgfalt auch über seltene Reaktionen aufgeklärt werden muss.